Wer sollte Ihr Buch lesen?

 

Wir haben das Buch für Betroffene geschrieben. Menschen, die von ihren Psychopharmaka nur schwer oder gar nicht mehr loskommen. Gerade in der Corona-Zeit haben viele Menschen dauerhaft Antidepressiva verschrieben bekommen. Unser Buch hilft ihnen die Symptome, die beim Absetzen auftreten, richtig einzuschätzen und von den Medikamenten wieder loszukommen. Das Buch ist auch wertvoll für Ärzte und Therapeuten, die ihre Patienten beim Entzug unterstützen möchten. 

Welche Hilfen finden die Leser in Ihrem Buch?

 

Wir bieten konkrete Absetzpläne an und erklären, wie man Absetzsymptome von Krankheitssymptomen unterscheidet. Die Leser finden Antworten auf die häufigsten Fragen und wir geben Tipps zur Bewältigung der einzelnen Erkrankungen. Ein ganzes Kapitel widmet sich den Alternativen zur medikamentösen Behandlung. In kurzen und übersichtlichen Texten wird das medizinische Wissen vermittelt, das für die persönliche Entscheidungsfindung wichtig ist. Insofern ist unser Buch gleichzeitig Ratgeber und Sachbuch.

Was ist ein "Kalter Entzug"?

 

Ein kalter Entzug bedeutet, den Stoff einfach wegzulassen. Mit “Stoff“ sind Substanzen gemeint, die auf den Gehirnstoffwechsel einwirken, also die Blut-Hirn-Schranke passieren. Dazu gehören alle Psychopharmaka, die ohne Ausnahme ein hohes Abhängigkeitspotenzial besitzen. Die meisten Menschen reduzieren ihre Medikamente bis zur kleinsten im Handel erhältlichen Dosis und lassen dann die Tabletten einfach weg. Damit riskieren Sie einen “Kalten Entzug“ und geraten dadurch in entsetzliche Krisen. 

Was ist ein "Sanfter Entzug"?

 

Beim "Sanften Entzug" reduzieren wir extrem kleinschrittig und behalten jeden Schritt über mehrere Wochen bei. Wir nutzen dafür das Modell der Absetztreppe. In der Regel wird das Medikament um jeweils 10 Prozent reduziert. Das bedeutet, unser Gehirn erhält immer noch 90 Prozent des Stoffes, von dem es eine Abhängigkeit entwickelt hat. Auf diese Art können Schwierigkeiten vermieden werden.

Sollten Psychiatrie-Patienten gar keine Medikamente einnehmen?

 

Psychopharmaka können, wenn sie richtig eingesetzt werden, ein Segen sein. Es gibt hochwirksame Psychopharmaka, die in Notsituationen eine große Hilfe sein können. Wir sind keine Gegner von Psychopharmaka, warnen jedoch vor einer Dauermedikation. Sie ist es, die den Einsatz von Psychopharmaka in der psychiatrischen Behandlung so gefährlich macht.

Welche Bedeutung haben die Illustrationen in Ihrem Buch?

 

Die Figur ist unser bildliches Fallbeispiel und macht sich für den Leser auf den Weg. Zuerst bekommt sie ein Rezept verschrieben, später will sie die Medikamente absetzen, nimmt die Absetztreppe, strauchelt dabei, probiert alternative Heilmethoden aus und am Ende genießt sie die Medikamentenfreiheit.

Was wollen Sie mit Ihrem Buch erreichen?

 

Wir wollen die Öffentlichkeit für das Thema "Abhängigkeit von Psychopharmaka" sensibilisieren. Dieses Thema ist immer noch nicht im medizinischen Alltag angekommen. Viele Psychopharmaka gelten immer noch als nicht abhängig-machend. Wir wollen die Menschen davor warnen, ihre Medikamente zu schnell abzusetzen. So etwas kann schwerwiegende Krisen auslösen. Wir zeigen Methoden, wie man diese vermeidet.

Brauchen wir die ganzen Medikamente gar nicht, sondern eher ein Umdenken?

 

Wir brauchen definitiv ein Umdenken. Medikamente werden zu leichtfertig verschrieben und meistens über einen viel zu langen Zeitraum. Wenn wir nicht in einer Pillenflut untergehen wollen, müssen wir uns wieder zurück zur Quelle bewegen. Zu einer Medizin, in der es um den Menschen geht und Medikamente nicht mehr überschätzt werden.

Wieso ist eine Dauermedikation gefährlich?

 

Es besteht die Gefahr der Gewöhnung und der körperlichen Abhängigkeit. Nach einer jahrelangen Einnahme können Betroffene beim Absetzen ihrer Medikamente in entsetzliche, kaum aushaltbare Zustände geraten. Deshalb empfehlen wir, Psychopharmaka nur so lange einzunehmen, wie Beschwerden bestehen. Jede medizinische Therapie benötigt eine Befristung und ein therapeutisches Ziel, das erreicht werden soll. Je länger wir ein Medikament einnehmen, desto schwieriger wird es, das Medikament wieder abzusetzen. 

Sie schreiben von eigenen Erfahrungen mit Psychopharmaka. Wie ist es Ihnen ergangen?

 

(Mahinda Ansari) Ich habe selber über einen längeren Zeitraum Psychopharmaka eingenommen. Immer wieder habe ich versucht, die Medikamente abzusetzen, bin aber jedes Mal gescheitert. Ich kenne also die ganzen Schwierigkeiten, von denen wir schreiben aus persönlicher Erfahrung. Zusammen mit meinem Mann haben wir nach Wegen gesucht, um die Medikamente dauerhaft abzusetzen. Es ist unser Anliegen, dieses Wissen, sowie die Erfahrungen mit unseren Patienten weiterzugeben.

Was ist der “Open Dialogue“ und wird er auch im deutschsprachigen Raum umgesetzt?

 

Der Open Dialogue ist ein in Westfinnland entwickeltes Psychiatrie-Konzept, das auf Soforthilfe beruht. Es setzt im häuslichen Umfeld des Patienten an. Dort treffen sich neben dem Patienten mindestens zwei Therapeuten und auch die Angehörigen sind mit dabei. Oftmals ohne eine Diagnose zu vergeben, wird gleichberechtigt ein individuelles Behandlungskonzept erarbeitet. In Deutschland dauert es sehr lange, bis der Patient therapeutische Hilfe erhält und es gibt kaum Möglichkeiten mehrere Behandler gleichzeitig einzubinden.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

 

Aktuell erhalten Menschen, die Medikamente absetzen wollen, kaum Unterstützung von ärztlicher oder therapeutischer Seite. Das liegt hauptsächlich daran, dass es im Leistungskatalog der Krankenkassen keine Abrechnungsziffer dafür gibt. Dadurch können Ärzte oder Therapeuten eine solche Behandlung nicht anbieten. Eine Abrechnungsziffer für die Unterstützung beim Absetzen von Medikamenten wäre daher sehr wünschenswert.

Danke für das Gespräch liebe Frau Ansari, lieber Herr Dr. Ansari.