Auf dem Cover Ihres neuen Buches sieht man einen Apfel und eine Birne, der Verweis auf das alte Sprichwort: „Äpfel mit Birnen vergleichen“. Das Phänomen des unfairen Vergleichs ist schon lange ins Bewusstsein der Menschen gerückt. Warum aber kommen wir trotzdem nicht umhin, uns ständig mit anderen zu vergleichen – beruflich und auch privat?

 

Vergleichen ist uns quasi in die Wiege gelegt. Uns zu vergleichen, ist sowohl eine angeborene als auch eine gelernte Verhaltensweise. Es passiert uns ständig und überall. Wir vergleichen unsere Leistung, unser Aussehen, unser Wissen, unser Können, unsere Freunde, unser Leben ... Vergleiche sorgen dafür, dass wir unser Verhalten innerhalb eines gesellschaftlichen Rahmens einsortieren können. Insofern sind sie nicht nur schlecht. Wenn wir uns aber mit jemandem vergleichen, den wir besser, toller, schöner oder erfolgreicher finden, als uns selbst, dann wird der Vergleich unfair – und zwar uns selbst gegenüber. Denn wir sehen immer nur einen kleinen Ausschnitt desjenigen, mit dem wir uns vergleichen.

Da wir alle uns schon so lange mit dem Thema des Vergleichens beschäftigen: Was ist das Neue an Ihrem Buch?

 

Dem möchte ich widersprechen. Denn wir vergleichen uns zwar ständig, aber wir beschäftigen uns viel zu wenig mit der Frage, warum wir das tun und was das in uns auslösen kann. Sich bewusst damit auseinanderzusetzen ist neu. Mein Buch hat als Kernaussage: „Du bist gut so, wie du bist!“ Es ist also kein Buch zur Selbstoptimierung. Stattdessen soll es darauf aufmerksam machen, wann und wie oft wir uns in welchen Situationen vergleichen. Es ist ein praktisch anwendbares Übungsbuch. Es zeigt mit vielen Tipps und Übungen, wie wir unser Vergleichsverhalten überdenken und verändern können. Dennoch geht es nicht von richtigem oder falschem Verhalten aus. Wir können uns zu jeder Zeit selbst entscheiden, ob wir etwas verändern wollen und was wir verändern wollen. Unser bisheriges Vergleichsverhalten wird in meinem Buch nicht gewertet.

Wer sollte Ihr Buch kaufen?

 

Mein Buch ist grundsätzlich für jeden gut, der merkt, dass er aus einer inneren Unsicherheit heraus dazu neigt, sich viel mit anderen Menschen zu vergleichen. Das Buch kann auch jeder kaufen, der mehr zu sich und seiner eigenen Meinung stehen möchte und sich stärken will. Denn wenn wir mehr Selbstvertrauen besitzen, vergleichen wir uns auch weniger. Es geht in Summe darum, sicherer zu werden und zu sich selbst zu stehen.

Das Thema „Coaching“ nimmt naturgemäß in Ihrem Buch einen hohen Stellenwert ein. In welchen Bereichen gibt es Übungen und wie sind diese aufgebaut?

 

Übungen gibt es zu jedem Kapitel in dem Buch. Nicht jedem Menschen liegt jede Übung. Es ist nicht notwendig, stringent jede einzelne Übung aus dem Buch zu machen, um sein Vergleichsverhalten ändern zu können. Wichtig ist, dass sich jeder diejenigen Übungen raussucht, die ihn spontan ansprechen. Aus dem Grund habe ich ganz unterschiedliche Übungen eingebaut. Manche sprechen eher visuelle Menschen an, manche Übungen sind nur zum Nachdenken und Aufschreiben und manche sind Körperübungen.

Sie schreiben, Fernsehen und Internet hätten unsere Welt zu einem „Vergleichseldorado“ gemacht. Was genau meinen Sie damit? Welchen Einfluss haben die Medien generell und neuerdings auch Social Media ganz konkret auf unser Selbstwertgefühl?

 

In den Social Media Kanälen sehen wir Menschen, von denen wir nicht wissen, was an ihnen „echt“ ist und was nachbearbeitet. Wir bekommen nicht nur einen Ausschnitt von ihrem Leben und ihrem Charakter gezeigt, sondern können noch nicht mal mit Gewissheit sagen, ob dieser Ausschnitt echt ist oder nicht. Geschweige denn, dass wir wissen, welchen Preis die jeweilige Mode-Bloggerin für ihren perfekten Körper zahlt oder der Businessguru für seinen Erfolg. Wir bekommen eine perfekte, glänzende Welt vorgegaukelt, die es nachzuahmen gilt. Das bringt uns weg von dem, was wir in unserem Leben erreicht haben. Es lenkt uns ab von uns selbst und unseren Stärken. Von allem, was wir bereits haben. Wir lernen immer mehr erst auf andere zu schauen und werden selbst in unserer Eigenwahrnehmung und unserem Selbstwert immer kleiner. Und dann schauen wir uns mit unserem als gering empfundenem Selbstwert eine Reality-Show im Fernsehen an, bei der wir dann wieder froh sind, dass wir noch nicht so weit gesunken sind. Hier findet ein Abwärtsvergleich statt, der unseren Selbstwert wieder etwas anhebt. Bei all den Vergleichen verlieren wir das Gefühl für unseren eigentlichen wirklichen Wert.

Vergleichen sich Männer und Frauen eigentlich gleichermaßen? Oder ist das bei einem Geschlecht stärker ausgeprägt?

 

Ich habe keine Geschlechterstudie betrieben. Ich denke, dass sich Männer und Frauen gleichviel vergleichen, aber vielleicht in etwas anderen Lebensbereichen. Wobei ich in letzter Zeit feststelle, dass Männer und Frauen sich dank der Emanzipation in immer mehr Bereichen als gleichwertig sehen. So machen sich Männer heutzutage genauso viele Gedanken über Erziehungsfragen wie Frauen. Sie vergleichen sich in ihrer Rolle als Väter ebenso wie Frauen in ihrer Mutterrolle. Bei beruflichen Vergleichen haben die Frauen aufgeholt. 

Und wie ist das in Partnerschaften (natürlich auch gleichgeschlechtlichen)? Kann eine Ehe funktionieren, wenn ich insgeheim z. B. denke, mein Mann sei ein toller Hecht und ich selbst eher ein hässliches Entlein? Wie kommt man da wieder raus, wenn man die Augenhöhe verliert?

 

Ich glaube, dass es immer eine Herausforderung darstellt, in einer Beziehung zu leben, in der wir uns nicht auf Augenhöhe fühlen. Es ist normal, dass sich einer mal schwächer oder kleiner fühlt als der andere. Fühlt sich aber einer dauerhaft kleiner, dann wird es zum Problem. Die Lösung für denjenigen, der sich kleiner fühlt, besteht darin, an sich zu arbeiten und so zu mehr Selbstvertrauen und Stärke zu bekommen. Das ist nicht immer ohne Unterstützung von außen möglich. Aber es ist für jeden Menschen möglich, sich weiterzuentwickeln und zu wachsen. Wir müssen bereit sein, an uns zu arbeiten. 

Sie schreiben, es habe auch mit Vergebung zu tun, wenn man sich eingesteht, dass man nicht alles kann, und dass das voll in Ordnung sei. Warum fällt es uns so schwer, uns zu vergeben? Warum sind wir so streng mit uns und setzen uns ständig unter Druck?

 

Ich denke, das hat zum einen damit zu tun, dass wir in einer Welt leben, in der ständiges Funktionieren und Perfektionismus großgeschrieben wird. Wir werden schon in der Schule sehr unter Leistungsdruck gesetzt. Viele Stärken und Begabungen, die nicht benotet werden, zählen nicht. Zum anderen haben wir hier in Deutschland eine Feedbackkultur, die hauptsächlich auf das gerichtet ist, was nicht funktioniert. Wir werden getadelt, wenn etwas nicht klappt. Es wird also nicht auf die Erfahrung gesetzt, die wir gemacht haben, sondern nur auf das geschaut, was wir dabei nicht geschafft haben. Wir schämen uns dafür und richten selbst unser Augenmerk auf den vermeintlichen „Fehler“. Dagegen wird das, was wir gut machen, selten extra gelobt. Es gilt fast als selbstverständlich, dass wir etwas gut machen. Uns selbst loben dürfen wir uns auch nicht, denn dann stehen wir als Angeber und Hochstapler da. Ich fände es schön und auch wichtig, auf die Erfahrung an sich zu schauen. Warum konzentrieren wir uns nicht auf das, was wir verändern können, anstatt in richtig oder falsch zu denken. Misserfolge sollten normal werden. Wir sollten uns fragen, was wir beim nächsten Mal anders machen können, um einen Schritt weiter zu kommen. 

Mal konkret gefragt: Wie kann ich mein Kind davor schützen, zu glauben, wegen z. B. schlechterer Noten in der Schule „minderwertig“ zu sein?

 

Erst einmal ist es für Eltern wichtig, es selbst zu glauben. Solange ich als Mutter auch nur einen Funken Enttäuschung spüre, wenn mein Kind eine schlechte Note bekommt, definiere ich das Kind ebenfalls über die Note. Außerdem gibt es noch viele Begabungen und Stärken bei jedem Kind, die nicht in Noten messbar sind. Wir sollten unseren Kindern vermitteln, dass nicht nur die Kernfächer wichtig sind, auch wenn das Schulsystem leider in den letzten Jahrzehnten nicht reformiert wurde und die Schulen diesen Unterschied nach wie vor machen. Wenn ein Kind alle Fächer als gleichwertig betrachtet, kann es sein Selbstwertgefühl auch im Sport- oder Musikunterricht stärken. Und dieses Selbstwertgefühl wird ihm später im Leben mehr weiterhelfen als eine Eins in Mathe.

Was kann ich als Mutter oder Vater schon jetzt bei der Erziehung beachten, um dafür zu sorgen, dass mein Kind als Erwachsener negativen Vergleichen besser standhält?

 

Ich bin überzeugt davon, dass Kinder sich wertvoll fühlen, wenn sie erleben, dass sie selbstwirksam sind. Sie müssen Dinge ausprobieren dürfen und dadurch erleben, dass sie etwas können. Hier helfen auch schon kleine Aufgaben im Haushalt oder etwas, wofür ein Kind altersentsprechend Verantwortung übernehmen kann. Kinder sollten ausprobieren und Fehler machen dürfen. Wenn sie nicht immer getadelt werden, sobald mal etwas schiefläuft, dann werden sie sich eher trauen, Neues auszuprobieren. Auch wenn das für die Eltern manchmal mit zusätzlichem Aufwand verbunden ist, weil sie bei ausschweifenden Bastelarbeiten den Tisch säubern müssen.

In Ihrem Buch geben Sie u.a. den Tipp, verschiedene eigene Lebenssituationen miteinander zu vergleichen. Warum genau kann das sinnvoll sein?

 

Das kann unglaublich hilfreich sein, wenn wir in einer schwierigen Situation stecken und nicht wissen, wie wir sie meistern sollen. Oder auch, woher wir die Kraft dafür nehmen sollen. Wenn wir uns dann an ähnliche Situationen in der Vergangenheit erinnern und uns fragen, wie wir sie damals gemeistert haben, kommen wir auf das, was uns damals geholfen hat. Genau das sind unsere Ressourcen. Sie sind auch heute noch da. Manchmal hilft es schon, sich die Ressourcen, die in uns stecken, ins Bewusstsein zu rufen. Nach dem Motto: „Wenn ich das damals geschafft habe, dann werde ich es heute auch schaffen!“

Negatives Vergleichen kann ich nicht auf Knopfdruck abschalten. Vielmehr muss ich an meinem Selbstwertgefühlt arbeiten, Stärke entwickeln, in dem ich meine Komfortzone verlasse etc. Ist das ein langwieriger Prozess? Kann das jeder? Und was sind in diesem Zusammenhang „Wachstumsschmerzen“?

 

Wie langwierig der Prozess ist, hängt davon ab, wo ich in dem Moment stehe und welche Vorarbeit ich früher schon geleistet habe. Jede Erfahrung hilft uns im Leben weiter. Sie verschwindet nicht, sondern lässt uns beständig wachsen. Ich bin überzeugt davon, dass jeder an sich arbeiten kann. Wir können alle zu selbstbewussten und starken Menschen werden. Dennoch wird es immer wieder Momente geben, in denen Unsicherheiten und Durchhänger kommen. Das Leben ist in Bewegung und wir verändern uns. Wir können nur stark werden, wenn wir wissen, wie es sich anfühlt, schwach zu sein. Es gibt das eine nicht ohne das andere. Als „Wachstumsschmerzen“ bezeichne ich das Verlassen der Komfortzone. Für jede Veränderung braucht es Mut. Wir müssen immer aus unseren vordergründig bequemen Verhaltensweisen raus, um etwas Neues zu wagen. Ohne diese Anstrengung und den Wachstumsschmerz ist keine Entwicklung möglich. Und wenn wir uns nicht entwickeln, dann begeben wir uns schnell in die Opferrolle.

Zum Schluss nochmal ganz simpel gefragt: Wie komme ich raus aus der Vergleichsfalle?

 

Durch das Bewusstmachen des eigenen Wertes mache ich mich selbst zum Maß meiner Vergleiche. Dazu ist es hilfreich, zunächst die Wahrnehmung zu trainieren, um sich klar zu machen, wann und wie viel ich mich vergleiche. Dann heißt es mutig sein und immer wieder ausprobieren. Wenn wir an uns glauben und keine Angst haben, etwas falsch zu machen, dann haben wir die Falle bereits verlassen.

Danke für Ihre Zeit, Maja Günther :)