Wer sollte Ihr Buch lesen? Was möchten Sie damit erreichen?

 

Mein Ziel ist es, nicht nur interessante und wichtige Rednerinnen und ihre Reden vorzustellen, sondern diese Reden in einen zeitlichen und thematischen Kontext einzubinden. Dadurch wird es der Leserschaft möglich, Veränderungen in Bezug auf die Ansprüche, Wünsche und Ziele von Frauen im Laufe der Jahre und Jahrzehnte zu erkennen. Wer diesen Gedanken überzeugend oder zumindest interessant findet, der sollte das Buch unbedingt lesen.

Was hat es mit dem Titel Ihres Buches auf sich: „Um das Feuer in Euch zu entfachen“?

 

Der Titel geht auf Josephine Baker zurück. In einer im Jahr 1963 gehaltenen Rede forderte sie junge Menschen auf, sich gegen jede Form der Diskriminierung und Ausgrenzung zur Wehr zu setzen. Aber nicht mit Gewalt, sondern mit der Kraft und der Macht des Wortes. Das ist auch mir wichtig ist: Mit der Kraft und der Macht des Wortes ein Feuer im Herzen der Leserschaft zu entfachen.

Eignet sich Ihr Buch auch für Männer?

 

Aber selbstverständlich! Schließlich geht es in dem Buch nicht nur um frauenspezifische, sondern auch um Themen, wie die Frage von Krieg und Frieden, mit der sich einige der hier vorgestellten Frauen befasst haben. Das ist zweifellos ein Thema, das nicht nur Frauen, sondern vor allem Männer betrifft. Der gegenwärtig in der Ukraine tobende Krieg hat das noch einmal verdeutlicht.

Nach welchen Kriterien haben Sie die Frauen aus Ihrem Buch ausgewählt?

 

Ich wollte – außer Politikerinnen – auch Wissenschaftlerinnen, Schriftstellerinnen, Abenteurerinnen, Erfinderinnen, Lehrerinnen, Theologinnen oder Musikerinnen aus möglichst vielen Ländern und Kontinenten zu Wort kommen lassen. 

Welche drei Frauen aus dem Buch haben Sie am meisten beeindruckt?

 

Hannah Arendt, Chantal Sébire und Wangari Maathai. Wangari Maathai engagierte sich mutig und länderübergreifend für Frauen- und Menschenrechte sowie Umwelt- und Klimaschutz. Chantal Sébire, weil sie trotz ihrer entsetzlichen Schmerzen und ihres von der Krankheit schwer gezeichneten Körpers öffentlich aufgetreten ist, um für die Einführung der aktiven Sterbehilfe in Frankreich zu kämpfen. Bei Hannah Arendt ist es ihre Lebensleistung, die mich sehr beeindruckt hat. Ihre Gedanken und Überlegungen „nachzudenken“, finde ich immer wieder spannend und herausfordernd.

Viele Frauen scheitern noch immer an der Unvereinbarkeit von Beruf und Familie – zuletzt z.B. die Grünen-Ministerin Anne Spiegel. Welche Frau aus Ihrem Buch hätte dazu wohl etwas Wertvolles sagen können?

 

Vielleicht Inge Meysel. Sie wollte immer Schauspielerin sein. Das war ihr Lebensinhalt und -elixier. Um sich dem Beruf widmen zu können, war sie bereit, auf die Mutterschaft zu verzichten. Die Bergsteigerin Junko Tabei hingegen hätte wahrscheinlich eine andere Antwort gegeben. Für sie waren Mutterschaft und Beruf durchaus vereinbar, allerdings unter der Prämisse, dass sie nicht die Hauptbezugsperson des Kindes war. 

Würden Sie unsere aktuelle Außenministerin Annalena Baerbock in einer Neuauflage Ihres Buches Aufnehmen? Falls ja: Warum? Oder: Warum nicht?

 

Die Frage ist schnell beantwortet. Ich hoffe, dass Frau Baerbock bei einer Neuauflage meines Buches noch unter den Lebenden weilt. Da ich mich in meinem Buch auf die Vorstellung bereits verstorbener Frauen konzentriert habe, würde ich Frau Baerbock nicht aufnehmen. Ich denke, dass ist ihr lieber, als – als Verstorbene – ehrenvolle Aufnahme in meinem Buch zu finden.

Was würde eine Dolores Ibárrui (Stichwort: „No pasarán“) heute angesichts des Krieges in der Ukraine machen? Und haben wir heute jemand vergleichbares in den politischen Reihen Europas?

 

Dolores Ibárruri war lange Jahre eine erklärte Sympathisantin des Sowjet-Systems. Insofern wäre es möglich, dass sie ihren legendären Ausruf „no pasarán“ der ukrainischen Regierung entgegengeschleudert hätte.  Andererseits war Dolores Ibárruri in späteren Jahren Anhängerin einer reformkommunistischen Strömung. Eventuell hätte die Veränderung in ihrem Denken dazu geführt, dass sie der Kreml-Führung „no pasarán!“ entgegengerufen hätte. 

Von der deutschen Politikerin Helene Wessel stammt der Satz: „Wir lehnen eine Remilitarisierung Deutschlands eindeutig ab“ – Was könnten wir heute von den Worten einer der „Mütter des Grundgesetzes“ lernen?

 

Helene Wessel war bis zu ihrem Tod eine überzeugte Gegnerin der Wiederbewaffnung, sprach sich entschieden gegen Atomwaffen aus und votierte für eine Verständigung mit dem Ostblock. Sie glaubte, der Frieden könne dauerhaft gewahrt und der Krieg verhindert werden, wenn es kein Wettrüsten gäbe. Damit hatte sie sicher Recht. Aber ihre Vorstellungen waren und sind – national wie international – ganz offensichtlich nicht mehrheitsfähig.

Die Historikerin Ricarda Huch sagte 1946, dass die Demokratie vom Rechts- und Verantwortungsgefühl des Volkes abhängt. Inwiefern können ihre Worte für den Zustand der heutigen Demokratie wegweisend sein?

 

Das ist vollkommen richtig, gilt aber zugleich für die Eliten im Staat, wozu beispielsweise die Regierung zählt. Wenn sich (große) Teile des Volkes abgehängt, also von der (politischen) Elite ungerecht behandelt fühlen, kann auch das schwerwiegende Folgen für die Demokratie nach sich ziehen. 

Mit welchen Frauen aus Ihrem Buch würden Sie eine „Force“ bilden, um unsere Welt heute zu „retten“?

 

Mary Muthoni Nyanjiru, weil sie – auch in einer scheinbar aussichtslosen Lage – Mut zeigte. Anne Sullivan Macy, weil sie sich bis zur Selbstaufgabe für eine Sache engagierte, die ihr wichtig war. Erika Mann, die die Dinge auf den Punkt bringen konnte und klar Position bezog. Luise Albertz und Louise Schroeder, weil sie bereit waren, schwierige Aufgaben in schwierigen Zeiten zu übernehmen. Und Hannah Arendt, die kluge und nüchterne Analystin. 

Und last but not least – was hält das Buch für Besonderheiten bereit?

 

Was ich persönlich sehr spannend fand, ist der durch die chronologische Anordnung der Reden mögliche Einblick in den Wandel der Sprache, nicht zuletzt im Umgang mit den Geschlechtern. Gegenwärtig wird häufig „gegendert“, um den Geschlechtern – weiblich, männlich oder divers – gerecht zu werden. In der Vergangenheit hat man sich darüber wenig Gedanken gemacht. Interessant ist dabei unter anderem, dass auch von weiblichen Rednern zunächst die anwesenden Herren und dann die Damen begrüßt wurden. Zum Beispiel bei Bertha von Suttner, bei der es noch hieß „meine Herren und Frauen“, oder bei Marie Juchacz, die dann immerhin auf „meine Herren und Damen“ umschwenkte. Erst einige Zeit später kam die Anrede „Sehr geehrte Damen und Herren“ in Mode.

Danke für das Gespräch, Dr. Stephanie Zibell